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Schreckgespenst Globalisierung - Ursachen, Erscheinungsformen, Gestaltungsmöglichkeiten

Informationen und didaktisch-methodische Hilfestellungen zum Unterricht

Schreckgespenst Globalisierung

 

Der ökonomische Kern der Globalisierung

Ernst Ulrich von Weizsäcker schreibt:

"1990 war die Ost-West-Rivalität vorbei. Erst waren wir alle ganz beglückt, ja trunken, weil die Angst vor dem großen Krieg verflogen war und weil das gute System das schlechte besiegt hatt. Wir träumten von Friedensdividenden, die uns nun die mögliche Abrüstung bescheren würden. Sozialer Ausgleich, Umweltschutz, Entwicklungshilfe und andere edle Projekte schienen eine wesentlich verbesserte Perspektive zu bekommen.

Das Gegenteil trat ein. Auch das Kapital war vom Kalten Krieg befreit. Die Kapitaleigner trauten sich auf einmal weltweit, ihr Grundlanleigen nach maximaler Verzinsung offensiv zu artikulieren. Es entstand ein Wettrennen der Staaten, der 'Wirtschaftsstandorte', um die Ermöglichung optimaler Kapitalrenditen. Aus diesem Wettbewerb wuurde ein 'schädlicher Steuerwettbewerb', wie die OECD dies nannte... 

Der Standortwettbewerb ist der Kern der 'Globalisierung'...

Der globale Kostenwettbewerb zwang die Konzerne zu einer radikal verschärften Gangart. Das zentrale Kriterium war die Kapitalverzinsung."

(Weizsäcker, Allianzen schmieden, in Vorwärts Special 12/2002, S.50)

Dieser globale Standortwettbewerb ist jedoch nicht vom Himmel gefallen, er war politisch gewollt und wurde von den jeweiligen politischen Akteuren absichtlich gefördert und eingeführt. Erst mit dem Abbau zahlreicher Beschränkungen für den Waren- und Kapitalverkehr wurde dieser grenzenlose Wettbewerb möglich. Erst mit der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in den Industriestaaten weg von der Nachfragesteuerung keynesianischer Prägung und hin zur Angebotssteuerung richtete sich der Fokus auf die Entfernung aller Beschränkungen für eine möglichst ungehinderte unternehmerische Betätigung und möglichst hohe Kapitalverzinsung.

Das Konzept der Angebotssteuerung, keine einheitliche Theorie, sondern letztlich nur ein Sammelsurium unterschiedlichster Rezepte und Vorschläge, beinhaltet im Kern die Überzeugung, das Unternehmen nur dann investieren (und damit Arbeitsplätze und letztlich Wohlstand schaffen), wenn sie hinreichend hohe Gewinne erzielen. Also muss der Staat alles tun, um dies zu ermöglichen:

  • Kosten der Unternehmen minimieren (Arbeitsschutz, Kündigungsschutz, Umweltschutz, Verwaltungskosten usw.)
  • Besteuerung der Unternehmen (z. B. Gewerbesteuer) und der Unternehmer (z. B. Einkommen-, Kapitalertrag-, Vermögen- oder Erbschaftsteuer) abschaffen oder senken
  • Beschränkungen für unternehmerisches Handeln minimieren (Reduzierung gesetzlicher Verbote wie Waffenhandel, Reduzierung von Kartellauflagen und damit Ermöglichung von Aufkäufen und Zusammenschlüssen, ungehinderte unternehmerische im Ausland, ungehinderte Betätigung ausländischer Unternehmer im Inland, Erleichterung oder Abschaffung von Kontrollen wie z. B. Lebensmittelkontrolle, Steuerprüfungen, Sachkundenachweis bei Unternehmensgründung, Meldepflichten für Geldabflüsse ins Ausland usw.
  • Privatisierung von möglichst vielen Staatsbetrieben und staatlichen Bereichen (Gesundheit, Gefängnisse, Bildung, Infrastruktur, Altersvorsorge, Telekommunikation, Verkehr usw.), um neue Bereiche für die Möglichkeit unternehmerischer Betätigung und privater Gewinnerzielung zu eröffnen.

Erstaunlicherweise wurden diese "Reformen" in Europa vielfach von "linken", also sozialistischen oder sozialdemokratischen Regierungen eingeführt. Man propagierte eine neue "Angebotspolitik von links", die letztlich dazu führte, dass sich der Staat aus vielen Lebensbereichen zurückzog und sie Marktgesetzmäßigkeiten überließ.

Wesentliche Teile des Lebens unterliegen nun in immer größerem Umfang dem freien Spiel der Anbieter und Nachfrager auf lokalen, regionalen, nationalen und zunehmend globalen Märkten:

  • Infrastruktur
  • Altersvorsorge
  • Gesundheit
  • Bildung
  • Arbeit
  • Nahrungsmittelproduktion
  • sonstige Güterproduktion
  • u. v. a.

Damit offenbart sich der neoliberale Kern der Globalisierung.

Neoliberale Wirtschaftstheoretiker und -politiker möchten, dass sich der Staat aus möglichst vielen Lebensbereichen zurückzieht, und deren Regelung den Marktgesetzen und damit Angebot und Nachfrage überlässt.

Sie fordern die freiwillige Ohnmacht des Staates und der Politik. Privatunternehmen und Marktmechanismen können angeblich alles besser als der Staat.

Private Telekommunikations-, Wasser-, Post-, Altenpflege-, Bildungs-, Verkehrs- und Energieunternehmen sind besser, billiger, effektiver und kundenorientierter als staatliche.

Dabei bleibt allerdings unerwähnt, dass jede Form angebotsorientierter Steuerung u. a.

  • eine Monopolisierung und Oligopolisierung dieses Marktbereiches
  • eine Polarisierung von Arm und Reich bei Einkommen und Vermögen in der Bevölkerung
  • einen erheblichen Verlust von gut bezahlten Vollarbeitsplätzen
  • eine Verschlechterung der Arbeitnehmerposition und der Lohnquote

bewirkt.

Zudem führen all diese Maßnahmen erfahrungsgemäß zu neuen  Wettbewerbssituationen, die wiederum neue Forderungen an die Politik nach sich ziehen. So fordern auch heute Unternehmensvertreter in Deutschland noch immer Steuersenkungen, obwohl der Staat in mehreren Steuersenkungsrunden die Steuerlast der Unternehmen und Unternehmen deutlich reduziert hat. 

Oftmals ziehen neue Märkte durch Privatisierung so große Regelungsprobleme nach sich, dass der staatliche Aufwand. So ist heute nach Privatisierung der ehemaligen Bundespost die neue Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikationsdienste größer als das ehemalige Postministerium vor der Privatisierung. Die Forderung nach einer "Verschlankung" eines unfähigen Staatsapparates verkehrt sich so ins Gegenteil.

Das scheinbar paradoxe Vorgehen des Neoliberalismus zeigt sich auch darin, dass seine Vertreter z. B. die Entlastung der Unternehmen von Sozialversicherungsabgaben an ineffiziente Behörden fordern, geschieht dies (z. B. durch Einführung von Arbeitsplätze ohne Sozialversicherungspflicht oder Wegfall bzw. Reduzierung des Arbeitgeberbeitrages zur Sozialversicherung) und brechen diesen Behörden dann prompt in erheblichem Umfang die Einnahmen ein, dann wirft man ihnen Leistungsschwäche vor und fordert ihre Abschaffung.

Butterwegge, Lösch und Ptak arbeiten in ihrem Buch "Kritik des Neoliberalismus" diese Gesetzmäßigkeiten sehr gut heraus und entlarven den Neoliberalismus als Ideologie, die ganz zielgerichtet und bewusst durch Angriffe auf den Sozialstaat und die Dramatisierung der demografischen Entwicklung in unserer Gesellschaft eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben möchte, eine Zerschlagung des Sozialstaates, die Aufgabe eines politischen Gestaltungswillens und die freiwillige Unterwerfung unter Marktgesetzmäßigkeiten und damit letztlich unter Macht- und Herrschaftsstrukturen, die von den Besitzen, sprich Reichen und Großunternehmen, dominiert werden.

Verschleiert wird dies mit Freiheits- und Gleichheits- bzw. Chancengleichheitspostulaten, die anders als in einem reglementierten Sozialstaat, eine freie Lebensgestaltung für alle Individuen erlaubt.

Verschwiegen wird dabei allerdings, dass diese Freiheits- und Gleichheitschancen nur auf dem Papier, aber nicht in der Realität bestehen. Weder hat ein Erwerbsloser tatsächlich die Freiheit, zwischen den günstigen Altersvorsorgeprodukten zu wählen und sich so abzusichern wie er möchte, noch stehen sich Arbeitslose bzw. Arbeitnehmer und Unternehmer gleichberechtigt gegenüber.

Diese Einsichten waren sein Gründung der Bundesrepublik allgemeine Überzeugung. Das Arbeitsrecht geht bis heute davon aus, dass Arbeitgeber eine weitaus stärkere Verhandlungsposition als einzelne Arbeitnehmer haben. Es war im Steuerrecht stets  unbestritten, dass eine höhere Besteuerung Besserverdiener gerecht ist und nicht eine gleiche Besteuerung Armer und Reicher. Das Sozialrecht ging stets davon aus, dass diejenigen Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt wegen Krankheit, Alter, Invalidität oder Arbeitslosigkeit ausscheiden, abgesichert werden müssen.

All diese Grundüberzeugungen möchte der Neoliberalismus in ihr Gegenteil verkehren. Die wirtschaftliche Starken sollen sich im Ausleseprozess ungehindert durchsetzen können. Die vermeintliche Freiheit und Gleichheit ist hierbei nur die ideologische Verschleierung. 


Buchempfehlung:

Butterwegge / Lösch / Ptak, Kritik des Neoliberalismus, 2. Aufl., Wiesbaden 2008

 

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Dies ist sind Unterrichtshilfen des Hauptseminars "Ökonomie und Globalisierung" der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd! Wir sind dankbar für Kritik,  Hinweise sowie Ergänzungen und integrieren gerne uns zugesandte Informationen, Links und Unterrichtseinheiten!

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