Und wieder eine neue Lernplattform...

Eine kritische Anmerkung

Und wieder einmal haben wir eine neue Lernplattform. Von „oben“ gewünscht und als pädagogische Wunderwaffe gepriesen (immer von Leuten, die selbst nicht die geringste Erfahrung mit Lernplattformen haben, oder die das als Karrierechance sehen). Nach Lo-net, moodle, lo-net2, Fronter und Ilias ist es jetzt eben Mebis.

Jetzt versuchen wir also mal, in den nächsten Monaten mit Mebis irgendwelche Stundeneinheiten zu kreieren, die man dann tatsächlich auch praktisch im Unterricht einsetzen kann.

Eine erste Rundschau im Mebis-Netz zeigt, dass es - bis auf ein paar didaktisch gute und medial sinnvolle Unterrichtsmodule von Fachoberschulen - keine Einträge gibt, die über das reine Abspeichern von Dateien vor und nach Internetrecherchen hinausgehen, was man mit dem schulischen Intranet oder jedem anderen Speicheranbieter im Netz ebenso – und vermutlich weit einfacher – realisieren kann. Für eine Worddatei mit zehn Rechercheaufgaben brauche ich keine Lernplattform.

Selbst unsere jüngeren Kollegen in „Multiplikatorenfunktion“, die dann ja eigentlich missionarisch wirken sollten, sind schon nach drei Fortbildungen ernüchtert bis frustriert. Richtige Selbstlerneinheiten für Schüler zu erstellen ist fürchterlich aufwendig. Von einzelnen Lehrern eigentlich kaum zu leisten. Für einen reinen Speicherraum aber ist der Einsatz der Lernplattform viel zu aufwendig (Einpflegen aller Schüler, individuelle Passwörter, Anlegen von Klassenräumen, schriftliche Zustimmung von Schülern usw. ). Der pädagogische Mehrwert steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Die tausend Zusatzfunktionen der Plattform braucht kein Mensch.

Nach meinem aktuellen Eindruck verwenden insbesondere kleinere Grund- und Hauptschulen, die kein schulisches Intranet haben, Mebis nahezu ausschließlich nur als gemeinsamer Speicherort und für sonst nichts. Dafür aber brauche ich keine Lernplattform und auch nicht die schon fast schulverwaltungsähnliche Plattformverwaltung.

Echte Lerneinheiten zu erstellen, mit denen die Schüler dann alleine arbeiten können und die wirklich alle Register von Arbeiten im Netz ziehen, ist wahnsinnig aufwendig. Sie müssen auch immer wieder gepflegt werden. Das kann man nur professionell lösen. Dies ist aber durch einzelne Kollegen nebenbei nicht leistbar, auch wenn sie rund um die Uhr arbeiten.

Fazit: Wieder einmal große Ankündigungen, viele Stunden unnützer Arbeit und ein mehr als mageres Ergebnis. Auch diese Plattform wird im pädagogischen Alltag versanden und zum Steckpferd einiger Enthusiasten werden, wie alle vorherigen Plattformen auch.

Neu! Wir haben uns jetzt an unserer Schule nach zweijährigem Herumprobieren mit einigen Muster-Unterrichtseinheiten und diversen Fortbildungen von der pädagogischen Nutzung von Mebis endgültig verabschiedet und speichern dort nur noch für die Lehrkräfte wichtige Formulare ab (Notenausgleich, Hausordnung, Feueralarmordnung, Antrag auf Fördervereinsmittel etc.) und dies in der erklärten Hoffnung, dass die Kollegen Mebis zumindest hierfür ab und an nutzen werden. Mit dem ursprünglichen Ziel einer "Lernplattform" hat dies aber natürlich nichts mehr zu tun.

 

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