Medienpädagogik - nein danke!
Kritische Anmerkung zu "Machen Medien 'dick, dumm, krank und traurig'" von Stefan Aufenanger

Machen Medien "dick, dumm, krank und traurig", wie eine Studie von Christian Pfeiffer als These provozierend zuspitzt?

Natürlich nicht, sagt Prof. Aufenanger, Medienpädagoge ehemals Uni Hamburg, jetzt Mainz. Der Vorwurf sei zu pauschal und müsste noch näher untersucht werden.

Was bewirken aber Internet, Fernsehen, Chat, IRC? Darüber kann die Medienpädagogik leider keine Aussagen machen.

Wie soll die Schule möglichen Fehlentwicklungen von Medienkonsum gegensteuern? Darüber kann die Medienpädagogik leider noch keine Aussagen machen.

Aber eines ist auf jedem Fall schon mal sicher: Gewalt in Film und Fernsehen hat nicht das Geringste mit der Gewalt im Alltag zu tun. Natürlich nicht. Um so etwas zu behaupten, bedürften wir noch vieler, vieler Untersuchungen.

Viel lieber diskutiert die Medienpädagogik seit 20 Jahren den Begriff der Medienkompetenz. Brauchen wir jetzt noch eine normative Dimension, eine kulturelle, eine affektive?

Ach ja, eine "kognitive ", eine "moralische ", eine "soziale ", eine "affektive“, eine "ästhetische " und eine "Handlungsdimension" wären natürlich auch nicht schlecht (http://www.mediaculture-online.de/Stefan-Aufenanger.373.0.html – Stand 06.05.2011). 

Aber wie irgendein Mensch, ob Elternteil oder Lehrer, dies vermitteln soll und was das konkret bedeuten könnte, das weiß man als Medienpädagoge natürlich nicht. Da müsst man wirklich noch sehr viel forschen und sich irgendwie festlegen.

Beliebt sind in der Medienpädagogik dagegen konzeptionelle Überlegungen für weitere Forschungen im Bereich Medienpädagogik.

Beliebt sind auch Überlegungen, was man unter „Medienpädagogik“ denn verstehen könnte.

 „Medienpädagogik habe in der Breite gesehen noch keinen festen Platz an Schulen, Hochschulen und in der außerschulischen Bildung“, beklagt die Zeitschrift „Medienpädagogik“ (06.05.2011).

Wie verwunderlich, da doch die Medienpädagogik so viele gesellschaftsrelevante und bildungsrelevante Ergebnisse liefert.

Und natürlich ist es viel wichtiger, zum zwanzigsten Mal den Fernsehkonsum von 14-Jährigen zu erheben (der natürlich dann nicht das Geringste mit ihrem anschließenden Verhalten zu tun hat), als sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Schule und andere Bildungsträger den Folgewirkungen dieser Konsumgewohnheiten begegnen sollten.

Solche Aussagen kann man von der Medienpädagogik aber auch nicht verlangen. Da müsste man sich ja ein paar konstruktive Gedanken machen und irgendwelche Postionen beziehen, die darüber hinausreichen, dass Medienkonsum generell linear nichts mit dem anschließenden Verhalten der Konsumenten zu tun hat (hat das eigentlich schon mal jemand behauptet?) oder dass das noch nicht hinreichend erforscht wäre. Diesen fehlenden direkten 1:1 Wirkungszusammenhang könnte mir vermutlich auch meine Bäckersfrau hinreichend belegen.

Und dass es vor 50 Jahren niemand gewagt hätte, mit seinem Auto auf eine Polizeikontrolle zuzurasen, ein solches Verhalten inzwischen aber fast die Regel ist, das hat natürlich mit diesbezüglichen Fernsehkrimis auch nicht das Geringste zu tun. Das müsste man wirklich erst einmal wissenschaftlich beweisen.

Die Polizisten sollen halt einfach diesen Hechtsprung lernen, den man in amerikanischen Filmen immer wieder bewundern kann… Da überleben die Polizisten ja auch. Und diese lustigen Massenauffahrunfälle werden doch von den Filmgesellschaften bezahlt, oder nicht?

Fazit: Als Lehrer kann man sich über die bahnbrechenden und hilfreichen Erkenntnisse der medienpädagogischen Forschung und Lehre wirklich nur freuen. Das hilft in der praktischen Arbeit mit Jugendlichen ungemein.

Oder etwas zugespitzter ausgedrückt: Medienpädagogik wäre eigentlich immens wichtig. In der aktuellen Ausprägung kann man sie als wissenschaftliche Disziplin aber eigentlich nur ersatzlos streichen.

Vielleicht könnte man mit den Geldern ja ein paar Straßen ausbessern?

 

Quelle:  http://www.lehrer-online.de/kindermedienkonsum.php?sid=48095127635437806830470787078020 (05.10.2005)

 PS: Offenbar machen die Psychologen den Medienpädagogen jetzt "Konkurrenz": Ein Würzburger Wissenschaftler kam grade zu dem Ergebnis, dass der gleichzeitige Gebrauch von Handy und Social Media keineswegs vom Unterricht oder den Hausaufgaben ablenken würde... (https://www.zdf.de/nachrichten/heute/auswirkungen-auf-lernerfolg-schulstudie-entlastet-social-media-100.html)
Zumindest nach schulischer Erfahrung kann das Untersuchungsergebnis nur ein zarter Scherz sein. Vielleicht hat man die Schüler ja befragt, ob sie meinen, sie würden von Social Media abgelenkt??? Natürlich ist jeder Schüler im Unterricht massiv abgelenkt, wenn er permanent die Posts liest und immer mit einem Auge darauf schielt, wann es wieder "pling" macht. Kollegen erzählen sogar davon, dass Schüler verwundert darüber waren, was im Unterricht so alles passiert - nachdem man ihnen das Handy abgenommen hatte!!! Also: Man muss nicht alles glauben, was ein Wissenschaftler schreibt. Auf den gesunden Menschenverstand kann man durchaus auch weiterhin vertrauen...

PPS: Inzwischen habe ich allerdings auch viele Medienpädagogen kennengelernt, die sich sehr konstruktiv um eine praktische Verbesserung der digitalen Bildung an unseren Schulen bemühen.

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