Web 2.0: Kritische Wissensgesellschaft - oder nur noch Belangloses und Überflüssiges im Internet? Eine kritische Anmerkung |
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Zauberwort Web 2.0 - der Aufbruch zu neuen Ufern? BLogs, Wikis, Social bookmarking, Podcasting, Trackbacks, Pingbacks und Youtube? Broadcast yourself? Sind das der intellektuelle Fortschritt und die kollektive Wissensvernetzung, die uns seit Beginn des EDV-Zeitalters angekündigt wurde? Nichts gegen Wikis und Google-Maps, aber ist es wirklich erforderlich, dass jeder Ahnungslose in BLogs, Foren und auf anderen Plattformen
Bringt es uns wirklich weiter, wenn Leute, die von Internet, HTML und den primitivsten Kenntnissen über PCs und Datenspeicherung keine Ahnung haben, sich mit einfach zu bedienenden Oberflächenprogrammen im Netz produzieren und ihre Eitelkeiten und Selbstdarstellungen pflegen oder gar andere böswillig verunglimpfen? Fast schon frühlingshaft war es heute
draußen und der Tag lief gleich viel besser. Nachdem ich gestern einen Bockmist nach dem
anderen gebaut hatte, lief es heute wie am Schnürchen... [..] 2 Stunden Schlaf sind
definitiv zu wenig für mich. Spät bin ich nicht ins Bett gegangen, aber kaum lag ich
drinnen, war ich putzmunter... Führwahr, eine wichtige Neuigkeit für die Welt! Es empfiehlt sich daher, dass Du mindestens
eine Hand voll Artikel in Deinem Blog veröffentlichst, bevor Du jemandem von dem Blog
erzählst... Wer hätte das gedacht? Mehrere Fotos und Informationen auf einer Website und nicht nur ein Urlaubsfoto und der Ein-Satz-Hinweis, dass es uns auf Mallorca wirklich unheimlich gut gefallen hat? Ist das vom Internet-User nicht etwas viel verlangt? Menschen, die auf ihrem eigenen Rechner keine Datei finden, weil sie alles in "Eigene Dateien" abspeichert haben, aber nicht wissen, wo das ist, Internetnutzer, die nicht wissen, wie man auf dem Rechner ein Verzeichnis anlegt oder eine Datei umbenennt, beglücken mit ihren Erkenntnissen den Rest der Welt, bieten RSS-Feeds an oder senden Trackbacks, Pingbacks und unheimlich wichtige und gehaltvolle Linklisten an Hunderte andere User. Und dies nur, weil das inzwischen so einfach ist, dass man es nach einigem Herumprobieren machen kann, ohne die geringste Ahnung zu haben. Und oftmals nur mit einem einzigen Klick. Ist das der Fortschritt im Netz, den wir uns erhofft und erträumt haben? Und dann kann man sich im Netz noch ordentlich ereifern, welcher Trainer und welche Biathletin bodenlose Leistungen bringen - immer schön auf dem eigenen Sessel und ohne jegliche Bewegung. Man kann über andere herziehen, sie können sich ja nicht wehren. Es gibt inzwischen Millionen unsäglicher Foreneinträge. Mehr als 10% der Netzkapazitäten werden inzwischen benötigt, damit Leute ihre Handyfotos ins Netz stellen können. Ballermann im WWW? Ist das die Medienkompetenz der Menschen, die wir uns von EDV und Internet erhofft haben? Ich fürchte fast, mir graut es bei vielen Ergebnissen der Mediennutzung. Man überlegt inzwischen sogar schon ernsthaft, wie man mit neuen Web-Oberflächen schwachsinnige und oberflächliche BLogs aussortieren könnte. In nicht mehr ferner Zeit bekommt man mit einer Google-Anfrage vielleicht nur noch bodenlose Foren- und BLog-Einträge und man benötigt neue Oberflächen und Suchroutinen, um überhaupt noch mit einer normalen Anfrage nach "Goldhamster", "Bamberg", "Klimakatastrophe", "Gentechnik" oder "Projekte" etwas Sinnvolles zu auf den Schirm zu bekommen. Von den Millionen von Spams, die Zeit, Geld und Energie von Millionen Menschen vergeuden und Kleinbetriebe oft fast in den Ruin treiben, überhaupt nicht zu reden... "Besserwissern, Wichtigtuern oder Paranoikern, die sich im
normal life intellektuell verkannt, sozial missachtet fühlen oder einfach viel Zeit
haben, bietet das Web 2.0 ein überaus reichhaltiges Angebot, ihren Neigungen rund um die
Uhr nachzugehen. [..] Im Mitmach-Web bekommen sie jenen sozialen Kredit oder können jenes
soziale Kapital anhäufen, das sie im Alltagsleben vermissen oder das ihnen aus welchen
Gründen auch immer von Kollegen, Freunden oder Bekannten vorenthalten wird." (Rudolf
Maresch, Die Bühnen des Mobs und der Wichtigtuer,
http://www.heise.de/tp/artikel/24/24480/1.html, 21.01.2007) Das Internet als Müllhalde und Tummelplatz für Einsame und Geltungssüchte - ist das eine realistische Vision? Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Träume der Internetgründer realisieren, und das WWW tatsächlich ein auf Freiheit basierender, sich selbst regulierender und kontrollierenden Raum ist, der diese Auswüchse selbst bereinigen kann (nebenbei: Diese Vorstellung entspricht weitgehend dem Konzept der freien Marktwirtschaft!), oder ob staatliche oder andere Instanzen eingreifen müssen, um die Funktionsfähigkeit der Netze überhaupt noch zu gewährleisten (Spams, Verleumdungen, Datenklau, Urheberrechtsprobleme etc.). Viele offene Regelsysteme tendieren zur eigenen Selbstvernichtung. Man denke nur an die Marktwirtschaft. Beim World Wide Web ist dies wohl nicht anders. Ich sehe derzeit vor allem vier Entwicklungslinien:
Auch im freiheitlichen und anarchischen WWW geht es also zunehmend um die Entscheidung Markt oder Plan, um Freiheit oder Sozialismus, um zwei derzeit etwas in den Hintergrund gerückte Bilder zu bemühen. Wohin also geht die EDV-Welt? Vorwärts oder rückwärts? Lassen wir uns überraschen.
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